Rohrbacher Brüderschaft

                                                                             
die Rohrbacher Eiche

Die Rohrbacher Geschichte

- Zur Einleitung
[Zur Einleitung] [Das Kloster Hasungen und seine Dörfer] [Das Dorf Rohrbach] [Die Rohrbacher in der Stadt Zierenberg] [Die älteste Ordnung der Brüderschaft] [Aus alten Protokollen (1696 - 1874)] [Der Jahrestag und anderes Brauchtum] [Aus dem neueren Protokollen bis zur Gegenwart]

Als Heinrich, der erste Landgraf in Hessen, ein Enkel der Elisabeth von Thüringen, im Warmetal die Stadt Zierenberg begründen wollte, mussten zunächst zwei Fragen geklärt werden: 1. Wo bekam er das Land für die Baustelle her? und 2. Woher sollten die Bewohner für das neue Gemeinwesen kommen? Die erste Frage konnte Heinrich I. mit dem Abt des Klosters Hasungen verhältnismäßig schnell klären, da diesem das meiste Land in der Umgebung gehörte. Der Abt konnte dem Landgrafen einen entsprechenden Grunderwerb schlecht abschlagen, weil dieser seit 1297 als Schirmvogt für das Kloster eine wichtige Sicherheitsaufgabe übernommen hatte. Außerdem war der Landgraf mit dem derzeitigen Mainzer Erzbischof verschwägert und verbündet. Da die Mainzer seinerzeit das Kloster mitbegründet hatten, stand es unter ihrem besonderen geistlichen und politischen Schutz. Also liefen die Landverhandlungen reibungslos ab. 1298 tritt Abt Ekkehard von Hasungen Anbaurechte an Zierenberger Bürger ab, während im Gegenzug der Landgraf dem Kloster einen freien (d.h. abgabefreien) Hof am Kirchhof in der Stadt zubilligt. 1305 vergleicht sich der Landgraf mit dem neuen Abt Werner erneut über die Besitzverhältnisse an den Orten Hedewigessen, Gerixen und Hildeboldessen; er übernahm das Patronat über die bisher dem Kloster unterstehende Kapelle auf dem Hillbolzen und vereinigte es mit der neu errichteten Pfarrstelle in der Stadt Zierenberg. Damit waren die Landfragen geklärt, wenn es auch später noch zu machen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Zierenbergern und den Mönchen auf dem Klosterberg kam. Im Blick auf die zu gewinnenden Bewohner der neuen Stadt dachte Heinrich I. an die Einwohner der zuvor erwähnten Orte und weitere Dörfer im Warmetal wie Horkenhausen, Wichmannessen, Lutwardessen und Rohrbach, die alle mehr oder weniger dem Kloster gehörten und dem dortigen Vogteigericht unterstanden. Das Leben hinter sicheren Stadtmauern und weitere Rechte, die den Bürgern gewährt wurden, waren verlockend und führten zu einem schnellen Umzug der Dörfler in die Stadt, von der aus sie immer noch bequem die alten Ländereien bewirtschaften konnten. Die Dörfer -und mit ihnen die drei Kirchen bzw. Kapellen von Hildeboldessen, Lutwardessen und Rohrbach- verödeten und verfielen in kurzer Zeit. Um die Rechte und Einkünfte bzw. Abgaben, die an den alten Dorfgemarkungen hingen, gab des ständige Auseinandersetzungen zwischen dem Kloster und der Stadt, die schließlich zu einem Sturm und einer Brandstiftung der erbosten Bürger am Kloster im Jahre 1330 führten. Wahrscheinlich wurde den in die Stadt gezogenen Neubürgern bestimmte Straßen oder Stadtviertel zugeteilt, in denen sich die alten Dorfgemeinschaften wieder zusammenfinden konnten. Sie bildeten Brüderschaften und übernahmen auch bestimmte Pflichten im neuen Gemeinwesen, wie etwa die Besetzung bestimmter Abschnitte der Stadtmauer im Verteidigungsfall. In einer Urkunde des Landgrafen Hermann von 1357 wird das Bestehen solcher Brüderschaften mit eigenen Vorstehern und Satzungen ausdrücklich vorausgesetzt. Als dann, mehrere Jahrhunderte später, in der Schreckenszeit des 30jährigen Kriegs (1618-1648) die Zahl der Zierenberger Bürger von etwa 1500 Einwohnern auf gerade noch 86 Ehepaare und 28 Witwen zurückging, waren auch die Brüderschaften praktisch verschwunden. Doch entstand in den folgenden Wiederaufbaujahren der dringende Wunsch, die Brüderschaften als Notgemeinschaften mit strenger Zucht und Ordnung wieder aufleben zu lassen, um den katastrophalen Zuständen - Zerstörung der Häuser, Verwahrlosung der Kinder, sittliche Verrohung der Erwachsenen, Niedergang der Alten- und Krankenpflege, unbebaute Felder und das Fehlen von Zugvieh und Geräten - wirksam entgegentreten zu können. Nach der Wiederbegründung der Leutzewärter Brüderschaft im Jahre 1660 konnte dann endlich auch die Rohrbacher Brüderschaft im Jahre 1696 wieder neu beginnen. Dieses Datum ist der Anlass dafür, im Jahre 1996 das 300jährige Jubiläum der Wiederbegründung zu begehen und dazu die bemerkenswerte Geschichte der Rohrbacher Brüderschaft ausführlicher darzustellen.


Das Kloster Hasungen und seine Dörfer
[Zur Einleitung] [Das Kloster Hasungen und seine Dörfer] [Das Dorf Rohrbach] [Die Rohrbacher in der Stadt Zierenberg] [Die älteste Ordnung der Brüderschaft] [Aus alten Protokollen (1696 - 1874)] [Der Jahrestag und anderes Brauchtum] [Aus dem neueren Protokollen bis zur Gegenwart]

Etwa 200 Jahre vor der Stadtgründung von Zierenberg war auf dem Hasunger Berg ein Kloster entstanden, dessen geistliche, wirtschaftliche und politische Bedeutung für diese Gegend nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Anlass für diese Klostergründung war die Ansiedlung eines sonst weitgehend unbekannten schwäbischen Mönches namens Heimerad, der in verschieden Klöstern für Unruhe gesorgt hatte und nach langen Irrfahrten schließlich auf dem Hasunger Berg im Jahr 1011 eine Einsiedelei errichtete. Er starb wenige Jahre später, inzwischen durch seinen strengen Lebensstil und durch die Heilung von Kranken in den Ruf besonderer Heiligkeit gekommen, und wurde in einer eigens dort oben errichteten Kapelle beigesetzt. Sein Grab wurde schließlich zu einem bevorzugten Wallfahrtsort und veranlasste die Mainzer Erzbischöfe, nach Auseinandersetzungen mit den Paderborner Bischöfen, zur Einrichtung einer Propstei, die schließlich in eine Benediktiner-Mönchsabtei umgewandelt und mit besonderen Ablässen für die Pilger ausgestattet wurde. Als der dem Kloster besonders verbundene Erzbischof Siegfried von Mainz 1084 starb, ließ es sich in der Gruft des inzwischen heiliggesprochenen Heimerad beisetzen. Das Kloster mit seinem stattlichen Münster wurde von allen Seiten mit Schenkungen und Stiftungen überhäuft. Viele Einzelstiftungen und Spenden sind urkundlich nicht mehr erfassbar, trugen aber zum Reichtum und damit zur Macht des Konventes bei. Ein solches Kloster war nicht nur die Stätte eines regen Frömmigkeitslebens, sondern wirkte auch bei der kirchlichen Durchdringung der Umgebung aktiv mit; u.a. durch die Besetzung der Pfarrstellen in den Klosterdörfern mit Priestern aus den eigenen Reihen. So wurde auch die Pfarrstellen mit ihren Einkünften dem Kloster gegenüber abgabenpflichtig. Durch seine Werkstätten und Bauhütten, Mühlen, Brauereien, Apotheken und landwirtschaftlichen Betriebe übten die Mönche einen großen Einfluss auf das wirtschaftliche Leben aus, wurden aber auch durch die von ihnen hergestellten Produkte aller Art zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Händler und Handwerker der Umgebung. Erzbischof Siegfried von Mainz, von dessen Grabstein noch ein Torso in der heutigen Burghasunger Kirche erhalten ist, gab dem Kloster im Jahre 1081 eine Bestätigung aller Rechte und Pflichten, die in einer Stiftungsurkunde von 1074 ausführlich aufgezählt waren. Darin sind auch die Dörfer im Warmetal aufgeführt, die dem Kloster gehörten oder doch durch dessen Rechte dienstpflichtig waren. Nicht nur die hessischen Adelsgeschlechter übertrugen dem Kloster Ländereien und Güter, damit die Mönche für das Seelenheil der Stifter regelmäßig beteten. Auch die einfachen Dorfbewohner schenkten dem Kloster aus dem gleichen Grund Geld oder Landstücke oder, wenn sie davon nichts entbehren konnten, erboten sich zu freiwilligen Hand- und Spanndiensten für die Abtei, die sich dieses gerne gefallen und später daraus Rechtsansprüche erwachsen ließ. Von 1170 ab hatten die Äbte das Recht, die Geistlichen für die Dörfer Ehlen, Rohrbach, Hilleboldessen, Hedewigessen und Lutwardessen zu wählen und zu beaufsichtigen. Es ist nicht auszuschließen, wenn auch historisch nicht sicher zu fassen, dass es vor der Stadtgründung von Zierenberg dort auch schon ein kleiner Ort gleichen Namens bestanden haben könnte. Jedenfalls wird schon 1310 zum ersten Mal ein Pfarrer (Pleban) in Zierenberg erwähnt. Wie schon angesprochen, hatte das Kloster in der Stadt einen abgabenfreien Hof neben dem Kirchplatz, so dass sich die Mönche von dort aus nicht nur an der Seelsorge in der Stadt beteiligen konnten, sondern auch ihre eigenen Erzeugnisse aus den Klosterbetrieben preisgünstig verkaufen konnten. Um das Verhältnis der Dorfbewohner und der Zierenberger Bürger zu den Mönchen auf dem Klosterberg richtig zu verstehen, muss noch daran erinnert werden, dass die Klostervogtei neben dem Amts- und Gerichtsbezirk Schartenberg (mit Zierenberg) eine eigene Gerichtsbarkeit in den zugehörigen Dörfern ausübte. Schließlich zog die damalige Kirche allgemein durch ihre Sendgerichte (Kirchengerichte) viele Vergehen gegen die Religion und Sittlichkeit, also die meisten Familienstreitfälle, an sich und gewann dadurch die dabei verhängten Strafen nicht nur weitere Einkünfte, sondern auch Macht über die von ihnen verurteilten Menschen. Da der ständig wachsende Reichtum des Klosters schließlich kaum noch überschaubar und der Lebenswandel der Mönche nicht mehr vorbildlich war, verfiel das Kloster innerlich und äußerlich nach und nach. Nach dem Beschluss der Homberger Synode von 1526 wurde auch das Kloster Hasungen aufgelöst und der neu gegründeten Universität Marburg zur finanziellen Absicherung zugeteilt. Von den 19 noch vorhanden Mönchen, die mit Geld- oder Sachwerten abgefunden wurden, übernahmen 9 evangelische Pfarrstellen in Hessen. Später ging das Klostereigentum an den Landgrafen über, der daraus verschiedene kirchliche Leistungen aufbrachte. Im 30jährigen Krieg wurden die noch bestehenden Gebäude und Güter mehrfach geplündert und fast vollständig zerstört. Im 7jährigen Krieg wurden auch die Vogtei und das noch erhaltene Klostergut sowie das Dorf Burghasungen stark mitgenommen. Zuletzt preußische Staatsdomäne, wurde der restliche Besitz 1932 aufgeteilt und der Klosterberg an die Kirchengemeinde Burghasungen verkauft. Wer heute den Platz des Hasunger Klosters aufsuchen will, kann ihn schon von weitem sehen. Wenn man die B251 von Kassel nach Korbach fährt, sieht man gleich hinter Ehlen den Hasunger Berg mit seiner charakteristischen abgeflachten Kuppe vor sich. Nach der Autobahnbrücke geht es rechts ab in den Ort Burghasungen. Ein Fußweg führt an der im Jahre 1800 eingeweihten, schlichten Dorfkirche (in deren Inneren der Weihestein des Klosters und ein Rest des Grabmals von Erzbischof Siegfried zu sehen ist) vorbei auf das Plateau mit einem kleine Teich, dessen Wasserstand durch die Jahrhunderte hindurch unverändert geblieben ist (vermutlich ein wesentlicher Grund für die Ansiedlung des Heimerad und des Klosters). Heute erinnert nur noch eine Bronzeplakette an den letzten Turm der früheren Klosterkirche, dessen Ruine noch um 1930 zu sehen war.


Das Dorf  Rohrbach
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Wenn man vom Klosterberg in Richtung des Kirchturms von Zierenberg schaut, dann sieht man genau in der Mitte zwischen beiden Punkten, die Rohrbacher Feldflur. Der nördlich von Burghasungen liegende Rohrberg (517 m hoch) gab dem von seiner Ostflanke zur Warme hin fließenden Bach den Namen. Der Rohrbach - auch Breites Wasser genannt - hat eine seiner Quellen im Heiligenborn, direkt vor dem Rohrberg gelegen. Woher dieser Name stammt, ist schwer zu sagen. Vielleicht war es der Taufborn, an dem die neu geborenen Kinder von Rohrbach die Taufe erhielten. Jedenfalls trifft sich der heute noch vom Heiligenborn nach Ostnordost fließende Rohrbach kurz vor der Einmündung in die Warme mit dem Rohrbachsiegen, einem anderen kleinen Bach, der ebenfalls am Dorf Rohrbach vorbeigeflossen ist. Nach neuesten Erkenntnissen hat nun das Dorf Rohrbach am oberen Rohrbach zwischen diesem und dem Rohrbachsiegen gelegen. Man schätzt die Ausdehnung des Ortes auf 450 m Länge und 150 m Breite, vorwiegend auf der Ackerlandseite des oberen Rohrbachs gelegen. Der Kirchhof liegt direkt oberhalb des Bettelweges (heute Altenhasunger Weg), dicht an der Südseite des Rohrbachs. Dieses Grundstück ist noch heute im Besitz eines Rohrbacher Bruders und wird auch noch "Kirchhöfchen" genannt, wie auch schon auf der Karte aus dem Jahr 1770/1775. Hier wurden zahlreiche Keramikscherben aus dem 10. bis 14. Jahrhundert gefunden, dazu auch Dachziegel und Reste menschlicher Gebeine. Auch in der nahe gelegenen Rohrschleife (=Schilfschleife) hat die Brüderschaft der Rohrbacher noch ein Wiesengrundstück in Besitz, das direkt unterhalb der Rohrbacher Eiche liegt. Sie dürfte etwa 300 Jahre alt sein und befindet sich mit der umgebenden Wiese im Besitz einer Rohrbacher Familie. Der Baum ist heute der Treffpunkt der Brüderschaft bei ihren Zusammenkünften im Freien bei guter Jahreszeit. Auf einem Grundstück, das heute noch der Brüderschaft gehört, pflanzte man 1995 eine neue Eiche und stellte 1996 einen Gedenkstein mit der Inschrift daneben: "300 Jahre Rohrbacher Brüderschaft 1696 - 1996" Es bleibt eine schwierige Frage, seit wann der Ort Rohrbach urkundlich bekannt ist. Als Kaiser Otto I. im Jahr 965 die Dörfer West- und Burguffeln, Elsungen und das hier in der Gemarkung gelegene Horkenhausen an das Erzstift in Magdeburg verschenkte, wird in der Urkunde auch ein Ort Rohrbach genannt. Da es aber noch zwei andere Orte gleichen Namens gab, muss offen bleiben, welcher in der Urkunde angesprochen wird. Mit Sicherheit erscheint das hiesige Rohrbach in der Aufzählung der Hasunger Güter aus dem Jahr 1074. Von da ab reißen die urkundlichen Bezeugungen nicht mehr ab. 1123 hat der Rohrbacher Bürger Altdach dem Kloster verschiedene Ländereien aus der Rohrbacher Flur übergeben. 1219 finden wir einen Rohrbacher Bürger Rukerus als Zeugen bei einer Gerichtsverhandlung im Kloster Haina. 1234 verkaufte die Familie von Hattenhausen einen großen Teil ihrer Ländereien in Rohrbach an die Familie von Schartenberg. Ein Albert von Schartenberg schenkte diese Liegenschaften 1247 dem Kloster Hasungen. Eine mündlich überlieferte Sage über den Landgrafen Heinrich, genannt das Kind von Brabant, bezieht sich auf den Heiligenborn in der Rohrbacher Gemarkung: Als der junge Landgraf, ein Enkel der Heiligen Elisabeth, acht Jahre alt war, wurde er zu seiner Weiterbildung in das Kloster Hasungen gegeben. Nachdem er sich mit dem Sohn des Burghasunger Köhlers angefreundet hatte, erlaubte man ihm, an freien Nachmittagen mit diesem zu spielen. Eines Tages liefen die Kinder getrennt hinter zwei Eichhörnchen her und verirrten sich dabei im Walde. Während der Köhlerjunge am Abend wieder nach Hause fand, blieb Heinrich verschwunden. Auch die Suche der Mönche des Klosters und der Dorfbevölkerung blieb ohne Erfolg. Im Morgengrauen ging der Köhler mit seinem Schäferhund erneut auf die Suche und entdeckte den jungen Landgrafen schließlich, unter einer Eiche schlafend, in der Nähe des Heiligenborns. Aus Dankbarkeit holte Heinrichs Mutter, die Herzogin von Brabant, den Burghasunger Köhler auf das Schloss nach Marburg und machte ihn dort zu ihrem Stallmeister. 1265 verkauft Hartmann von Buches zusammen mit seiner Frau Agnes zu ihrem Seelenheil einen in Rohrbach gelegenen Hof für 10 Mark an das Kloster Haina. In den Jahres 1357 bis 1367 vermachte die in Rohrbach wohnende Familie von Uslacht eine Rente und zahlreiche Grundstücke, besondere Gärten, dem Kloster Hasungen "zu ihrem Seelenheile". 1376 überweist Heinrich von Uslacht ihm zustehende Fruchtzinsen an das Kloster Hasungen. In den Jahren 1479, 1501 und 1594 stellten die Wölffe von Gudenberg für die Schlosserfamilie Kanngießer Lehensbriefe über Lehensgüter in der Flur Rohrbach aus. 1510 wurde noch festgestellt, dass die Rohrbacher Familien, die nach Zierenberg gezogen waren, für ihre Güter, die im Bereich der Stadt lagen, dieser zinspflichtig waren. Für die Güter aber, die in der Gemarkung Rohrbach lagen, mussten sie weiterhin dem Kloster Hasungen Zinsen zahlen. Damit sind wir schon in einer Zeit, die über das einstige Dorf weit hinausgegangen ist. Rohrbach wird schon im Jahr 1403 ausdrücklich als Wüstung bezeichnet. Ehe wir uns dem Leben der Rohrbacher in der neuen Stadtgemeinschaft zuwenden, wollen wir noch einen Blick auf die kirchlichen Verhältnisse werfen. In einer Grenzbeschreibung von 1614 heißt es: "bis an der Rohrbachs Fluss und Mühlwerk, da der Scheidtstein steht ... und steht bei diesem Stein auf der Seite nach Hasungen zu ein Stück von einer alten Kirche, dabei vor Zeiten ein Dorf, Rohrbach genannt, gelegen, welches mit aller Gerechtigkeit an das Haus Hasungen gehörig gewesen." Wir erwähnten schon, dass die Dorfpfarrstelle in Rohrbach, wie die anderen im Warmetal, vom Klosterkonvent besetzt und beaufsichtigt wurden. Einen interessanten Versuch, die Lage der sicher nur kleinen Dorfkirche durch eine Luftaufnahme der Gemarkung festzustellen, unternahm man im Jahr 1995.


Die Rohrbacher in der Stadt Zierenberg
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Die ersten Einwohner von Rohrbach dürften schon 1344 in die Stadt übergesiedelt sein. Damit waren sie zwar aus der Jurisdiktion des Klosters Hasungen heraus, doch gab es auch in der Stadtgemeinde viele Pflichten für die Neubürger. Man darf mit Sicherheit annehmen, dass z.B. die umfangreiche Stadtmauer mit drei Stadttoren und zahlreichen Türmen vorwiegend von den Stadtbewohnern selbst erbaut werden musste. Wenn man die Inschrift in der Kirchturmhalle richtig deutet, hat man 40 Jahre bis zur Vollendung der Stadtmauer benötigt. Ein Blick auf die heute noch vorhandenen Teile des stattlichen Mauerringes lässt ahnen, welche Mengen an Baumaterial dazu angefahren und verarbeitet werden mussten. Die Mauer wurde so angelegt, dass sie von innen über Aufgänge bestiegen und verteidigt werden konnte; eine Aufgabe, an der sich auch die Männer der Stadt und damit der Brüderschaften beteiligen mussten.

Aus alten Protokollen (1696 - 1874)
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1696 wurde ein Protocollbuch angeschafft, sowie eine Lade mit Schloss zur Unterbringung der Dokumente. 1697 wurde eine Liste derjenigen Mitglieder aufgestellt, die den ständigen (=jährlichen) Weizen zu geben haben, den die "Herren von Rohrbach für Ihre Hochfürstliche Durchlaucht" (also den Landgrafen) durch den Vorsteher in der Zierenberger Renterei abzuliefern haben; insgesamt 8 Metzen, also etwa 30 kg (Diese Aufstellung wird 1779 erneuert). Außerdem muss die Brüderschaft vom Großen Bruch zu Rohrbach auf dem gleichen Wege jährlich 21 Albus Pflug- und Schenkmaß-Geld zahlen. Im gleichen Jahr musste der Vorsteher Dieterich Krieger in den Krieg ziehen und konnte sein Amt nicht wahrnehmen. Die Brüder übertrugen das Amt Hans Georg Jütte und bescheinigen ihm, dass er solches "gekonnt, herrlich und gut" verwaltet habe. Ab 1703 werden die gewählten Vorsteher mit "Gräben" oder "Greben" bezeichnet, eine Erinnerung an die in Hessen so bezeichneten Ortsvorsteher (bis 1779). Am 28.02.1728 wird ein Bruder mit einem halben Zuber Bier (etwa 50 Liter) bestraft, weil er einem anderen Bruder den Stuhl weggezogen hat, so dass dieser zur Erde gefallen und sich dabei den Kopf hätte verletzen können. 1730 wird ein Bruder mit einer Bier-Strafe bedroht, weil er "bei offener Lade" (also während der offiziellen Versammlung) seinen Pflichten nicht nachgekommen war. 1830 wird Johann Mösta zum ersten Vorsteher gewählt und im folgenden Jahr wieder ernannt. Das kommt von da ab häufiger vor, ja gelegentlich wird der Vorsteher gleich für zwei Jahre gewählt. 1831 wurden in einem Quittungsbuch die Ländereien aufgeführt, von denen Abgaben an die Rohrbacher Brüderschaft zu entrichten sind. Es sind sicherlich vorwiegend Flussstücke, die in der alten Gemarkung gelegen sind, wie aus den Bezeichnungen zu schließen ist. Allerdings sind darunter manche Namen, die sich heute kaum noch nachweisen lassen wie z.B. "an den guten Gobsbaum". Bekannter sind uns "der Kreuzstein" (nach der Karte kreuzten sich da die alte Ehlener Straße mit dem Mühlenweg). Auch der Rohrbacher Kirchhof wird mehrfach erwähnt, Hufen (das sind Hofstätten mit Äckern) "bei dem Heiligen Born", worauf auch die "Bornwiesen" hindeuten. Erwähnt werden Erblande am Mühlenweg (was auf eine dort gelegene Wassermühle hinweisen könnte), Wiesen "in den Höfen", Rohrbachwiesen, Wiesen "am Wassergraben" u.A.. Ob zu dieser Zeit die genannten Stücke noch ausschließlich von Rohrbächern bewirtschaftet wurden, ist allerdings nicht ersichtlich.  1832 beschließt die Brüderschaft, dass zukünftig bei der Verrechnung (Abrechnung) des Jahrestages jeder Bruder erscheinen soll. Falls das Lokal (der Raum) des Vorstehers zu klein wäre, soll er bei einem anderen Bruder, der ein größeres Gelaß hat, einkehren. Bei der Verrechnung soll "Gut getan werden zwei Maß Branntwein und vier Maß Bier, beim Bieraufschroten ein Schoppen Branntwein". (Aufschroten hieß soviel wie das In die Höhe-Walzen von Bier- oder Weinfässern, vermutlich mit einer Schrotleiter). Am Tag der Lichtmess (2.2.) 1844 werden die Gesetze der löblichen Brüderschaft erneuert bzw. neu gefasst. Wir finden die bekannten Grundsätze der Ordnung von 1671/1696 wieder. Neu ist der 24 mit der Anweisung, dass ein Bruder, der sich einen Diebstahl zuschuldenkommen lässt, ohne Geldbuße ausgestoßen werden muss. Im 25 wird festgelegt, dass jeder Bruder bei allen Zusammenkünften in ordnungsgemäßen Anzug und pünktlich erscheinen soll. Weiter wird das schon erwähnte Totengeleit festgelegt und beschlossen, dass alles, was in der Brüderschaft beraten und festgelegt wird, nicht außerhalb an anderen Orten "ausgekramt" (weitergeplaudert) wird. Die Ordnung wird von 20 Brüdern unterschrieben. Außerdem werden die Grundstücke aufgeführt, die von den Rohrbachern jährlich zu vermeiern (zu verpachten) sind: u.a. Das Große Bruch, das Kleine Bruch, der Nicolausplatz, die Omadenplätze, das Rohrbacher Stücke, das Leimladt, sowie die Wege vom Kreuzstein zum Hungerborn, unter dem Berge, in den Heymbrodt, in der Rohrschleife, ins Höbiecke und den Weg bis in den Rohrbach-Siegen, alles Ländereinen, die der Brüderschaft selber gehören und an die Brüder verpachtet werden. 1844 schenkt der Vorsteher Conrad Hedderich der Brüderschaft zwei neue, niedrige Messingleuchter.  1847 werden zwei Leichentücher gekauft, das eine schwarz mit Fransen und Glocken, das andere weiß (vermutlich für Kinderbegräbnisse) aus schlesinger Leinen mit Fransen, dazu zwei Florstöcke mit Trauerfloren. 1849 hat der damalige Vorsteher die dem kurhessischen Staat schuldigen Erbzinsen von acht Metzen Weizen "auf ewige Zeiten abgelöst". Hier ist einzufügen, dass die Brüderschaft unter ihren alten Dokumenten ein Quittungsbüchlein besitzt, in dem für die Zeit von 1780 bis 1846 die jährlichen Pachtzahlungen an die Stadt in Höhe von 8 Metzen und 21 Albus vom Stadtkämmerer quittiert wurden. Für die Benutzung des Rathaussaales (vermutlich die große Diele im Erdgeschoß) für die Feste der Jahrestage werden der Stadt 15 Silbergroschen entrichtet. Interessant sind die belegten Zahlungen während der Napoleon-Zeit, als Kurhessen zum Königreich Westphalen unter Jrome Bonmaparte gehörte. Da finden sich 1808 Beiträge für Ordonnanzfuhren (Kurierdienste) und Kriegsfuhren (für die Armee), sowie Zahlungen für die Verpflegung durchmarschierender Truppen (1810 bis 1819).

Alle diese der Stadt auferlegten zusätzlichen Lasten wurden vorwiegend durch die Grundbesitzer umgelegt, zu denen ja auch die Brüderschaft mit ihrem eigenen Land gehörte. Ebenso verfuhr man mit den so genannten Contributionen (Beiträge zur Unterhaltung der Besatzungstruppen). Nach der Kriegszeit erhebt der Staat, neben einer zusätzlichen Wegesteuer, wieder die alten Grundsteuern, jetzt Johanni- und Nikolai-Geschoße genannt (Geschoß oder einfach Schoß sind Abgaben bzw. Steuern, die zu bestimmten Kalendertagen fällig waren, wie z.B. auch die Juni-, Petri- und Martini-Steuer). Alle diese Abgaben, die die Brüderschaft zu leisten hat, bedingen natürlich eine gewissenhafte Zahlung ihrer Mitglieder an die Vorsteher. 1860 beschließt man einen weiteren Zusatz zu den Gesetzen: "Wenn ein Mitbruder in oder außer der Rohrbacher Versammlungen unsittlich und ungebührlich sich aufführen würde, dass er von der Obrigkeit wie auch von der Rohrbacher Brüderschaft schon gestraft wäre und alle Ermahnungen und Zurechtweisungen würden unfruchtbar bleiben, soll derselbe als unverbesserlich ausgestoßen werden. Wenn ein Mitbruder bei irgend einer Zusammenkunft der Rohrbacher Brüderschaft würde zu viel Branntwein trinken, dass er allgemein für betrunken erklärt, sich nichts sagen noch zurechtweisen lassen, vielmehr sich zänkisch und ungebührlich aufführt, soll derselbe eine Strafe büßen von 15 Silbergroschen." 1861 wird beschlossen, die bisherige Verwaltung der Rohrbacher Angelegenheiten (durch den Vorsteher und den Schreiber) ab sofort auf vier Älteste zu übertragen, denen jetzt folgende Obliegenheiten zustehen: 1. Neue Mitglieder aufnehmen,  2. Den Jahrestag zu bestimmen, 3. Schlussrechnung zu machen, 4. Strafen aller Art nach den Statuten zu verhängen, 5. Alles, was zum Wohl der Rohrbacher Brüderschaft beiträgt, es sei genannt oder ungenannt, zu besorgen. Diese Verwaltung, bestehend aus den vier ältesten (nach dem Eintrittsdatum) Mitgliedern und dem Schriftführer wird von 1874 ab Direktorium genannt. Seit 1864 wählt die Brüderschaft jeweils einen Obervorsteher und einen Untervorsteher, in neuester Zeit Vorsteher und Untervorsteher. 1871 wird wegen dem deutsch-französischen Krieg kein Jahrestag gehalten und entsprechende Beiträge, auch zur Totenkasse, nicht erhoben. Bevor 1874 die noch heute gültige Ordnung beschlossen wird, leisten sich die Herren von Rohrbach noch ein besonderes Vergnügen: "Sie unternahmen, durch schönes Wetter begünstigt, eine Spazierfahrt ins Freie und kehrten beim Bruder Gastwirt Schäfer an der Casseler Straße ein; amüsierten sich im herrlichen Sonnenschein beim Kegelspiel, und nachdem sie im Garten das Vesper eingenommen hatten, kehrte die Brüderschaft wieder zur Stadt und zum Festsaal zurück, allwo die Schwestern von Rohrbach ein Warmbier zubereitet, welches in der besten Harmonie verzehrt wurde...". Besonders zu beachten ist es, dass hier zum ersten Mal überhaupt auch die Frauen der Brüder erwähnt und mit der Bezeichnung "Schwester" angeredet werden. Noch heute ist es üblich, dass sich bei der Abhaltung der Jahrestage die Teilnehmer "Bruder" und "Schwester" nennen und das geschwisterliche "Du" benutzen. Etwa zwei Wochen vor dem jährlich stattfindenden Fest versammelt sich das Direktorium auf Einladung des Vorstehers in dessen Haus. Dann wird die Jahresrechnung durch den vorjährigen Vorsteher abgehört, der neue Jahrestag beschlossen und der Vorsteher beauftragt, hierzu alle Brüder und Schwestern, sowie auch die Witwen verstorbener Brüder einzuladen.


Der Jahrestag und anderes Brauchtum
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Auffälligerweise finden sich weder in den Satzungen noch in den Protokollen feststehende Regeln, nach denen die Jahrestage begangen werden sollen. Hier und da finden sich ein paar Einzelbemerkungen, aus denen ein Außenstehender nicht allzu viel ersehen kann. Deutlich wird, dass jährlich eine Generalversammlung der Brüder allein und anschließend an demselben Tage ein Ball mit den Frauen (und konfirmierten Kindern) abgehalten wurde. Der Jahrestag beginnt mit dem schon erwähnten "Aufschroten" des Bieres, das früher eigens für dieses Fest gebraut und dann in Fässern in den Saal gerollt wurde. (Früher war es der Rathaussaal, dann lange Jahres bis 1967 der Saal des Gasthauses Rüppel, seitdem das Bürgerhaus der Stadt mit seinen modernen Einrichtungen).  Zunächst versammelten sich dort die Brüder, um "den Trunk zu prüfen". Man trank das Bier aus Groggläsern und ließ ab und zu auch altertümliche Branntweinkrüge herumgehen, auf denen die Inschrift eingeprägt ist "Pfifad Rohrbach" (=vivat heißt: es lebe Rohrbach). Als nützliche Zwischenlage wurden Teller mit jenem "Rohrbächer Schinken" herumgereicht, den wir schon beschrieben haben. Früher wurde Wert darauf gelegt, dass der Kümmel auf diesem trockenen Brot wirklich in der alten Dorfgemarkung geerntet wurde. War die Prüfung der Getränke zur Zufriedenheit verlaufen, so konnte man zur Generalversammlung schreiten, die am Freitagvormittag im gleichen Lokal stattfand. Ehrfürchtiges Schweigen herrscht, wenn die alte Lade geöffnet und die vergilbten Urkunden herausgenommen werden. Die Satzungen werden verlesen, die Aufnahme neuer Brüder beschlossen und durchgeführt und über alle die Brüderschaft betreffenden Angelegenheiten durch Mehrheitsbeschlüsse abgestimmt. Es steht jedem Mitglied frei, Anregungen und Vorschläge vorzubringen und zu allen Fragen der Brüderschaft Stellung zu nehmen, Man einigt sich über die Einladung einiger Gäste. Denn außer dem Pfarrer und dem Bürgermeister haben sonst keine anderen Personen Zutritt zum Jahrestag. Die Brüder bleiben zusammen, bis man unter Vorantritt der Festmusik zu den Häusern der Vorsteher und zu alten Brüdern, die nicht mehr am Fest teilnehmen können, zieht, um ihnen ein Ständchen zu bringen. Dann geht es zum Bäcker, wo in großen Waschkörben Wecken und runde Salzkuchen abgeholt werden. Aus dem Hause der zuletzt aufgenommenen Schwester holt man in blitzblanken Kaffeekesseln das Getränk und den Streuselkuchen, der auf langen Brettern durch die Stadt getragen wird. Im Festsaal werden die erschienenen Schwestern und Kinder an der von Musik umrahmten Kaffeetafel begrüßt. Die Bewirtung im Saal liegt ausschließlich in den Händen des Vorsteherehepaares und der jungen Brüder . Selbst der Gastwirt hat keinen Zutritt zu der geschlossenen Gesellschaft. Auf diese Weise kann auch der kostenlose Ausschank bzw. Verbrauch der Getränke ein wenig gesteuert werden. Den Kinderbelustigungen am Nachmittag folgt ein festlicher Ball am Abend, zu dem wieder die Musikkapelle nach altüberlieferten Noten spielt, die eigens für diesen Zweck komponiert wurden.

Längst verschollene Reigentänze, wie etwa die Kegel-Quadrille und die Tampete, werden sorgfältig einstudiert und mit Vergnügen getanzt. Bis in die letzten Jahre hinein wurden keine modernen Tänze gespielt. Es ist erfreulich anzusehen, wie jung und alt sich in diese traditionellen Ordnungen einfügen und mit großer Fröhlichkeit in rechter Zucht das Fest feiern. Der Saal wird mit selbstgefertigten Efeugirlanden und den alten Messingleuchtern geschmückt, indes andere alte Erinnerungsstücke ausgestellt werden. Nach der Begrüßung der geladenen Gäste halten Pfarrer und Bürgermeister kurze Ansprachen, bevor die Ehefrauen der am Vormittag neu aufgenommenen Brüder "gebunden" werden. Dazu bilden alle Anwesenden um die Neuaufgenommenen einen großen Kreis. Die Ehefrau des Vorstehers begrüßt die neuen Schwestern mit den Worten: "Wir haben vernommen, dass neue Schwestern sind aufgenommen. Die sollen uns herzlich willkommen sein. Wir wollen sie binden mit einem Sträusselein. Dieses soll kosten eine Kanne Wein; ist es aber keine Kanne Ein, so darf es auch Kaffee und Kuchen sein!"

Die neuen Schwestern werden mit Blumen geschmückt und tanzen dann mit ihrem Männern eine Ehrenrunde. Nachts um Zwölf marschiert dann fast die gesamte Gesellschaft noch einmal mit Musik durch die Stadt, um diesmal bei anderen Schwestern Kaffee und Kuchen einzuholen. Nach Beendigung der mitternächtlichen Kaffeetafel wird dann noch bis zum Morgen durchgefeiert, wobei die älteren Brüder für einen einwandfreien Ton und ein tadelloses Verhalten sorgen. Der Jahrestag wird mit einer kleinen Nachfeier der Brüder am Sonnabend geschlossen, bei der dann Abrechnung gehalten und die Gesamtkosten anteilig umgelegt werden. Gleichzeitig tritt der neue Vorsteher sein Amt an und schließt das Fest mit der Ausgabe bitterer Salzkuchen (möglicherweise ein Hinweis auf die bevorstehende Fastenzeit oder eine Erinnerung an die harten Zeiten der Neugründung nach dem 30jährigen Krieg). Er übernimmt die Lade mit den alten Schriftstücken und schließt sie zum Zeichen der Beendigung des dreitägigen Festes. Zwischen den Jahresfesten werden gemeinsame Ausflüge, besonders in die alte Gemarkung und Fahrten mit Besichtigung veranstaltet, Spinnstuben anstelle der früher üblichen Schlittenfahrten im Winter und die Beteiligung am sommerlichen Viehmarkt mit einem geschmückten Wagen für den Umzug vorgenommen. Die nachfolgenden Nachrichten zeigen, dass sich im Lauf der Jahrhunderte manches naturgemäß gewandelt hat und den jeweiligen Zeiten angepasst werden musste. Im Kern aber haben sich die alten Traditionen erstaunlich sicher gehalten und geben zu der Hoffnung Anlass, dass sich immer wieder neue Brüder und Schwestern finden werden, um sie fortzusetzen.


Aus dem neueren Protokollen bis zur Gegenwart
[Zur Einleitung] [Das Kloster Hasungen und seine Dörfer] [Das Dorf Rohrbach] [Die Rohrbacher in der Stadt Zierenberg] [Die älteste Ordnung der Brüderschaft] [Aus alten Protokollen (1696 - 1874)] [Der Jahrestag und anderes Brauchtum] [Aus dem neueren Protokollen bis zur Gegenwart]

1878 werden den auf drei Jahre gewählten Direktoriumsmitgliedern wegen Auswärtswohnen und wegen unpassender Verhältnisse die Vorsteherschaft (gegen 3 Mark an die Kasse) erlassen. 1982 werden zwei Mitbrüder wegen Übertretung des 1 der Satzung ("unbescholtener Lebenswandel") aus der Brüderschaft ausgeschlossen. 1900 wird folgender Nachtrag zu den Statuten angenommen: "Wenn ein Bruder sich zum zweiten Male verheiratet, so hat er für eine Bruderstochter 3 Mark und für eine Fremde 6 Mark Einkaufsgeld zu entrichten. Wenn eine Witwe nach ihres Mannes Tode die Beiträge zur Totenkasse nicht fortbezahlt, so verliert dieselbe nicht bloß ihre Ansprüche an die Totenkasse, sondern auch, die Brüderschaft ist nicht verpflichtet, bei einem Sterbefall die Leiche bei der Beerdigung auf den Gottesacker zu tragen, noch derselben bei der Beerdigung das Geleit zu geben." 1901 erstattet die Kasse der Brüderschaft dem Mitbruder Christoph Rietze, weil er bei dem starken Brand am 14.1.1901 bedeutende Verluste gehabt, eine Beihilfezahlung von 21 Mark. 1901 wird die Brüderschaft beim Königlichen (Preussischen) Amtsgericht in Zierenberg in das Vereinsregister eingetragen. Die Beobachtung, dass in vielen Jahren die Sitzungsprotokolle einen fast gleichlautenden Inhalt haben, lässt darauf schließen, dass die Brüder im allgemeinen die selbstverordneten "Gesetze" sorgfältig beachten. Ab und zu nur muss das Direktorium einmal eine Strafe beschließen, etwa wenn ein Mitbruder wegen Trunkenheit 3 Mark zahlen muss und für zwei Jahre von den Feiern des Jahrestages ausgeschlossen wird. Zugleich wird ihm, falls er sich nicht bessert, der Ausschluss angedroht. Ein Beschluss von 1907 legt fest, dass der Brüder und Schwestern, die im abgelaufenen Jahr gestorben sind, in der Generalversammlung feierlich gedacht werden soll. Der Weltkrieg von 1914 - 1918 schlägt sich in dem Beschluss nieder, während dieser Jahre jeweils auf die Festlichkeiten zu verzichten und den im Felde stehenden Brüdern (9) und Brüderssöhnen (19) Liebesgabenpakete zu schicken. Wenn auch in diesen Jahren stets der Verstorbenen gedacht wird, so werden doch keine Namen genannt. Es ist also nicht erkennbar, ob auch Männer aus der Brüderschaft Opfer des Krieges geworden sind, was bei insgesamt 300 aus Zierenberg ausgezogenen Soldaten und 46 Gefallenen mit Sicherheit angenommen werden kann. Erst im Jahre 1920 werden die Festlichkeiten nach alter Ordnung wieder aufgenommen. Aufgrund der eingetretenen Teuerung muss auch die Brüderschaft die Pachtbeträge für ihr Land verdoppeln. Im Inflationsjahr 1923 wird die Feier des Jahrestages nur auf einen Tag beschränkt. Durch die Geldentwertung ist auch das Kapital der Sterbekasse verloren gegangen und muss neu zusammengetragen werden. 1928 werden erstmalig Brüder wegen ihrer 50jährigen Zugehörigkeit zur Brüderschaft geehrt. Ein Jahr später wird -erneut- gerügt, dass die verpflichteten Träger bei Beerdigungen unentschuldigt gefehlt haben. 1933 wird beschlossen, dass "wegen der Schwere der Zeit und Geldknappheit" nur 4 Musiker bestellt werden sollen. Doch im nächsten Jahr engagiert man wieder acht Musikanten. Dem Mitbruder Karl Rietze, dem am 06.1.1933 seine Behausungen niederbrannten, wird eine Beihilfe gewährt.

Es ist seltsam, dass der politische Umbruch in Deutschland und der Einbruch der nationalsozialistischen Partei in alle Lebensformen mit keinem Wort in den Protokollen erwähnt wird. Ansonsten wurden ja alle Vereine und Verbände aufgelöst oder in Massenorganisationen zwangsüberführt. Im ländlichen Bereich war es der "Reichsnährstand", der alles an sich zog. Ob man die Brüderschaften unangetastet ließ, weil sie ein wertvolles bäuerliches Brauchtum darstellten oder als allgemein unpolitisch eingestuft wurden, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls verlieren die Protokolle, im Gegensatz zu allen anderen Veranstaltungen der damaligen Zeit, kein einziges Wort über die neue "Volksgemeinschaft". 1940 wird, nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, erneut auf die Abhaltung der Jahrestage verzichtet und der Opfer des Krieges gedacht. Man hält lediglich die Versammlungen ab, die durch das Vereinsgesetz vorgeschrieben waren. Im älteren Protokollbuch befindet sich ein Bericht des Bruders Konrad Richter über die Zeit des 2. Weltkrieges, der im März 1947 niedergeschrieben wurde: "Am 2. Ostertag zogen die ersten amerikanischen Truppen in Zierenberg ein; ein kurzer Kampf am 1. Ostertag bei der Kolonie Friedrichsaue kostete drei unbekannten deutschen Soldaten das Leben. Auch der derzeitige Vorsteher musste in diesen Tagen innerhalb einer 1/2 Stunde sein Haus für die Einquartierung räumen. Bei der Schnelligkeit konnte nur die Lade der Brüderschaft mitgenommen werden, der große Koffer, welcher im Hause zurückblieb, wurde, wie alles andere, von den Truppen gründlich durchwühlt, aber nichts wesentliches entwendet. Eine große Anzahl von Verordnungen wurde von der Besatzungsbehörde erlassen, durch welche der Bevölkerung allerlei Einschränkungen auferlegt wurden. Abgabe von Waffen und Fahnen, Fotoapparaten und Ferngläsern, Ausgehverbote und Haussuchungen. Alle Vereine und Verbände wurden aufgelöst. Dank ihrer alten Tradition, aufgebaut auf sittlicher und religiöser Grundlage, ist die Rohrbacher Brüderschaft bis heute keinerlei einschränkenden Maßnahmen ausgesetzt worden und hofft auch in Zukunft ihre Jahrestage in althergebrachter Weise feiern zu können, um die alten Sitten und Gebräuche der Nachwelt zu erhalten. Durch die Kriegszeit hindurch bis auf den heutigen Tag beschränkte sich die Tätigkeit der Brüderschaft auf 4 Sitzungen des Direktoriums und 5 Generalversammlungen, in welchen die geschäftlichen Belange geregelt wurden. 5 Brüder und 5 Schwestern starben in der Berichtszeit. Während der Vorsteher sonst jährlich wechselt, übte der derzeitige Vorsteher sind Amt 8 Jahre aus. Von der Brüderschaft wurden 11 Brüder zu den Fahnen einberufen: Heinrich Fischer, Karl Sachse, Hermann Schäfer, Heinrich Brede, Hasn Gunkel, Heinrich Heyde II, Heinrich Scharf, Heinrich Rietze, August Mogge und Heinrich Brake. Die 4 zuerst Genannten befinden sich heute noch in Kriegsgefangenschaft. Von H. Brede kam bis heute kein Lebenszeichen. Außerdem starben eine Anzahl hoffnungsvoller Brüdersöhne den Heldentod." Nach acht Jahren Unterbrechung werden die Jahrestagsfeiern 1948 wieder aufgenommen. 1958 beteiligt sich die Brüderschaft am Viehmarktsumzug mit einem eigenen Festwagen und erhält dafür den II. Preis. Bei dieser Gepflogenheit wird man auch in den kommenden Jahren bleiben. Man beschließt ferner, am Volkstrauertag einen eigenen Kranz mit Schleife am Ehrenmal niederzulegen. 1966 verkauft die Brüderschaft ihr Grundstück "am Fuhrmannsbeutel" und erwirbt dafür ein Grundstück "in der Sandkaute". 1974 entbrennt eine heftige Diskussion über die Frage, ob man beim abendlichen Tanz zum Jahrestag nur die alten, überlieferten Tänze spielen oder auch neuere dazunehmen soll. Beschlossen wird, dass grundsätzlich die alte Tradition gepflegt werden soll, aber auch, um der Jugend etwas entgegenzukommen, neue Tänze getanzt werden können. Die Anweisungen an die Kapelle sollen ausschließlich vom Vorsteher gegeben werden. 1987 wird bekannt gegeben, dass die Familie Richter am Jahrestag mit vier Generationen teilgenommen hat. Konrad Richter gehört der Brüderschaft 65 Jahre lang an. Während des Golfkrieges im Jahre 1991 (gegen den Irak) beraten ausnahmsweise die Direktorien der beiden Brüderschaften (Rohrbacher und Leutzewärter) gemeinsam darüber, ob unter dem Eindruck der Ereignisse die beiden Jahrestage stattfinden sollen. Schließlich beschloss man, zwar keine Musikumzüge durch die Stadt zu unternehmen, aber die Jahrestage nicht ausfallen zu lassen: "Die Brüderschaften, vor mehreren Jahrhunderten als Notgemeinschaften gegründet, sind gerade in einer solch schwierigen Zeit der Zusammenhalt vieler Familien. Die Jahrestage dienen der Erhaltung und Fortführung der Brüderschaften". 1991 wird erstmalig eine Sportgruppe erwähnt, die an mehreren Turnieren erfolgreich teilnahm. Neben einer Busfahrt nach Thüringen beteiligte man sich wieder am Viehmarkt und beim "Spiel ohne Grenzen". 1992 genehmigt der Vorstand die Verlegung einer Gasfernleitung durch die Rohrbacher Wiesen und beschließt eine rege Beteiligung am kommenden Stadtjubiläum. Die Brüderschaft richtet eine Hobbyfußballmeisterschaft des Kreises aus und veranstaltet, zusammen mit den Leutzewärtern, einen Familientag im Rahmen der 700-Jahrfeier von Stadt und Kirche. Es wurde eine Ausstellung mit historischen Dokumenten und Geräten im Rathaus, eine Wanderung zu den Wüstungen Rohrbach und Ludwardessen, ein Bieraufschroten unter der Rohrbacher Eiche sowie ein gemeinsamer Abschluss auf dem Marktplatz veranstaltet. Ein gemütlicher Abend wurde bei einem Bruder in Zwergen durchgeführt. Zum Treffen an der Eiche hatte das Direktoriumsmitglied Konrad Rose eine Darstellung der Rohrbacher Geschichte zusammengestellt.  In den vergangenen Jahren hatte sich herausgestellt, dass die Noten für die alten Tänze, die bisher vom langjährigen Kantor August Mogge und dessen Tochter behütet worden waren, inzwischen altersschwach und pflegebedürftig geworden sind. Nach einigen Verhandlungen hat dann die Stadt das Neubinden und die Herstellung von Kopien der handgeschriebenen Noten übernommen. Die Originale werden seitdem im Tresor des Rathauses verwahrt. 1995 wurde die aktive Sportgruppe von Rohrbacher Firmen mit neuen Trikots beschenkt. Zum Jubiläumstag 1996 will man alle noch lebenden Pfarrer- und Bürgermeisterehepaare einladen. Ein besonderer Gottesdienst soll am 09. Juni in der Stadtkirche gehalten werden; am Sonnabend danach wird man sich am alten Dorfplatz treffen und einen Erinnerungsstein neben der neu gepflanzten Eiche aufstellen. Bevor die noch heute gültigen erneuerten Statuten (mit Ergänzungen) abgedruckt werden, sollen hier noch einige Quellenangaben mitgeteilt werden: Fritz Hufschmidt: Geschichte des oberen Warmetales, Wolfhagen 1905  Michael Hederich: Zierenberg in Geschichte und Gegenwart, Kassel 1962 Festschrift zum 700jährigen Stadtjubiläum, Zierenberg 1994 Heinrich Baumann: Geschichte der Leutzewärter Bruderschaft, 1962  Konrad Rose: Vortrag unter der Rohrbacher Eiche von 1993 Protokoll- und Rechnungsbücher der Rohrbacher Brüderschaft ab 1696


- 1996- Brüderschaft vor dem historischen Rathaus